Kinderhaus am Mondsteinweg
32 Jahre KindSein e.V.
KindSein – der Großbuchstabe mitten im Namen war zu der Zeit noch etwas Neues und wurde bald immer beliebter. Aber das war nicht unser Beweggrund für die Namensgebung des Trägervereins. Was bedeutet es, Kind zu sein? Was ist das Sein der Kinder? Wie sind Kinder überhaupt? Das waren einige der Fragen, die uns damals bewegten, als sich Birgit und Peter Witteck und Kerstin und Uli Bosse daran machten, Gedanken für die Betreuung ihrer gerade geborenen Kinder zu entwickeln. Damit hatten wir wenige Monate zuvor begonnen. Und schnell wurde klar, es braucht eine formale Trägerschaft, den Trägerverein – und der wurde zum KindSein e.V.. Irgendwann waren wir mit Hilfe von Freunden sieben Personen, soviel benötigt man in Deutschland für eine Vereinsgründung. Es gab eine Satzung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, vor allem in den Personen Tobias Eggerer und Erwin Adams, unterstützte uns sehr. Wir wollten es von Beginn an nicht bei den formalen Dingen belassen. Uns ging es um Inhalte, um Konzeption und Pädagogik – also um die Frage, WIE sollen unsere Kinder einmal betreut werden, um sich möglichst gut zu entwickeln und zu entfalten? Was brauchen Kinder? Welche Umgebung tut ihnen gut? Wen brauchen sie? Und wie sollten, müssen – nein: wie wollen sie behandelt werden? Zu der Zeit gastierte in Bielefeld bereits zum zweiten Mal das „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne“ von Hugo Kükelhaus. Auf dem Gelände von Gilead IV in Bethel war ein großes Zirkuszelt aufgebaut, und man konnte viele unterschiedliche Stationen erleben, sich darin erfahren, seine Sinne wahrnehmen: Das Handeln, das Tasten, den Barfußgang, das Hören und Sehen, Riechen und Schmecken. Unabhängig von den Plänen für einen Kindergarten war dies für uns alle ein bedeutsames persönliches Erlebnis: sich selber, seinen Leib und Körper in enger Verbindung damit wahrzunehmen, wie wir in dieser Welt SIND, wie eng und leiblich alles miteinander zusammenhängt. Und wie wenig wir darüber wissen, wie gering üblicher Weise die Aufmerksamkeit ist, die man solchen Verbindungen und Entwicklungslinien widmet. Wer sich dafür interessiert und das Erfahrungsfeld selber einmal besuchen möchte, hier zwei Tipps: „Phänomania Erfahrungsfeld“ in der Zeche Zollverein in Essen und das Schloss Freudenberg in Wiesbaden. Mit etwas Glück kann man hier unserem damaligen Berater, Matthias Schenk, begegnen. Wir spürten rasch, dass solcherlei Erfahrungen und Erleben etwas sind, das uns Menschen in unserer Entwicklung und Entfaltung guttut und umso mehr den Kindern. Bald stand die Entscheidung fest: Unser Kinderhaus wird ein Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne, eine Landschaft, ein Umfeld, eine Umwelt, die Kinder stärkt, in der sie individuell wachsen, gedeihen und sich entfalten können. Wir verabredeten eine Fortbildung mit dem „Zirkusdirektor“ Matthias Schenk, dem Leiter der Kükelhaus-Ausstellung. Es war noch eine sehr kleine Runde, vielleicht waren wir 7 oder 8 Personen. Aber es war ein sehr prägender und zukunftsweisender Abend. „Möbliert euer Kinderhaus bloß nicht mit unseren Erfahrungsstationen!“, warnte er uns. „Baut das gesamte Haus und gestaltet das Außengelände als Erfahrungsfeld für die Kinder. Schafft die richtige Umgebung, in der die Kinder ihr Kindsein entwickeln können.“ Später wuchs die Gruppe um interessierte Eltern und PädagogInnen rasch an. Es entstand die Planungsgruppe, die sich regelmäßig in unserem Wohnzimmer zusammenfand. Hier diskutierten wir Konzept und machten die Gebäudeplanung. Dabei wurde später unser Architekt Klaus Beck ganz wichtig. Wer das Kinderhaus am Mondsteinweg sieht und kennt, merkt rasch, was damit gemeint ist, wenn wir es als Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne betrachten. Die unebenen Wände, die verschiedenen Fußböden, die Fensterlaibungen, Farben, Formen, das Licht, die Beleuchtung. Alles wurde bewusst gestaltet. Ganz wichtig war uns die Küche als Lebensmittel-Punkt im Zentrum des Gebäudes. Der Umgang mit den Elementen, die Erfahrungen von und mit Feuer, Wasser, Luft und Erde – das alles wird hier erfahrbar. Die Treppenhäuser waren damals eine kleine Revolution im Kita-Bau: zu gefährlich. Wir bestanden darauf. Wie sonst sollen Kinder lernen, sich sicher auf einer Treppe zu bewegen? Die Wendeltreppen in den Türmchen wurden untersagt, weil die Retter nicht mit einer Tragbahre hinauf- und hinunterkamen. Die Klettergerüste und die Seilkonstruktionen sind nun Turngeräte. Die waren erlaubt… - Und vor allem das riesige und bis heute so herrlich gestaltete Außengelände! Wir wussten vor 30 Jahren noch nicht, wo das Kinderhaus einmal stehen würde. Wir waren ja erst ganz am Anfang. Als wir schließlich das Grundstück am Mondsteinweg sahen, war uns allen sofort klar: Das ist es! Hier soll es einmal stehen. Vier Jahre nach Vereinsgründung wurde das Kinderhaus endlich eröffnet. So lange hat der Gründungsprozess gedauert. Die „Gründungskinder“,Marie und Frederik, konnten das Kinderhaus gar nicht sehr lange besuchen, aber es hat ihnen bestimmt gutgetan, so wie den vielen Kindern, die dort inzwischen betreut wurden. Dass dieser Erfolg bis heute fortbesteht und weiter gedeiht, liegt an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vielen engagierten Eltern. Ich empfinde dafür eine tiefe Dankbarkeit. Uli Bosse
Kindergarten Kinderhaus am Mondsteinweg Bielefeld Kinderhaus am Mondsteinweg      Zirkonstraße 60     33739 Bielefeld       Telefon 05206/2817       Fax 05206/969009
Die Abbildung ist aus: Hugo Kükelhaus, Rudolf zur Lippe: Entfaltung der Sinne. Ein "Erfahrungsfeld" zur Bewegung und Besinnung. Frankfurt a.M. 1982, S. 125.